Antrag Wiegmann | Straßenumbenennung Felix-Dahn-Straße in Steffi-Wittenberg-Straße

Roland Wiegmann
Ausschuss: KGA | KerngebietsausschussAnträge Roland WiegmannRoland WiegmannRegion: Eimsbüttel KerngebietThema: AntifaTopmeldung

Straßenumbenennung Felix-Dahn-Straße in Steffi-Wittenberg-Straße

Sachverhalt:

Eine Straße für Steffi Wittenberg in Eimsbüttel

Seit dem 1. November 1938 gibt es in Eimsbüttel eine Felix-Dahn-Straße.
Von 1921 bis 1938 aber war diese Straße benannt nach Anna Wohlwill, der langjährigen Leiterin der Mädchenschule Paulinenstift. Unter dem NS-Regime musste der Name der Jüdin Anna Wohlwill dem Namen des Schriftstellers Felix Dahn weichen. Inzwischen gibt es im Stadtteil St. Pauli eine Wohlwillstraße.

Felix Dahn, bereits 1912 verstorben, propagierte in seinen Werken einen völkisch-nationalistischen Germanenmythos, der schon von Sozialdarwinismus durchsetzt ist. Dahn ist somit als Wegbereiter des deutschen Faschismus anzusehen und eine Straßenumbenennung nach ihm war in der NS-Zeit kein Zufall, sondern folgerichtig. Dass allerdings mehr als 74 Jahre nach der Befreiung vom deut- schen Faschismus die Straße immer noch Dahns Namen trägt, sollte schnellstmöglich behoben wer- den.

Aus guten Gründen schlägt die Linksfraktion vor, dieser Straße wieder den Namen einer jüdischen Frau zu geben und durch diese Straßenumbenennung ein lang überfälliges Unrecht zu korrigieren, denn: Straßennamen sind Seismographen der Zeit. Es ist deshalb überfällig, nach 81 Jahren die „Felix-Dahn-Straße“ umzubenennen und damit ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus zu setzen.

Steffi Wittenberg wurde am 15. Februar 1926 in Eimsbüttel als Steffi Hammerschlag geboren.
Die Familie wohnte im Mittelweg. Sie besuchte ab 1932 zunächst die non-konfessionelle Grundschu- le Kielortallee, dann die Jahnschule (heute Ida Ehre Schule). Ab 1935 musste sie eine jüdische Schule besuchen und wechselte auf die Israelitische Töchterschule, nach deren Schließung zur Tal- mud-Tora-Schule am Grindelhof.

Im Dezember 1939 gelang ihr mit ihrer Mutter die Flucht nach Uruguay. In Montevideo lernte sie ihren späteren Mann Kurt Wittenberg kennen, dem sie im Januar 1948 nach Houston/Texas folgte. Wegen beider Tätigkeit im Civil Rights Congress gerieten sie früh in die politischen Mühlen der Mc- Carthy-Ära und wurden ausgewiesen.

Seit Juni 1951 lebte Steffi Wittenberg (mit ihrem Mann und ihren 1955 und 1960 geborenen Söhnen) wieder in Eimsbüttel.

Am 26. März 2015 ist Steffi Wittenberg - Schirmfrau des „Monats des Gedenkens“ während der Vorbereitungen für den zweiten Monat des Gedenkens gestorben.

Steffi Wittenberg ist bis kurz vor ihrem Tod in Schulen gegangen, um als Zeitzeugin über ihr Leben zu berichten:
ihre jüdische Kindheit im Zeichen nationalsozialistischer Verfolgung in Eimsbüttel,
die Jahre als „deutsch-jüdische Jugendliche mit Migrationshintergrund“ nach der Flucht in Uruguay, ihr Engagement in der US-Bürgerrechtsbewegung.

Mehr als dreißig Jahre lang hat Steffi Wittenberg mit ihrem Auftreten Hamburger Schülerinnen und Schülern die Werte einer humanen Gesellschaft vermittelt und Sensibilität gegenüber Ausgrenzun- gen eingefordert. Sie hat das Gedenken an die Pogromnacht auf dem Joseph-Carlebach-Platz be- fördert und organisiert, ebenfalls Aktionen wie „Jeder Menschen hat einen Namen“. Und sie hat maßgeblich daran mitgewirkt, den „Zug der Erinnerung“ im Jahr 2008 nach Hamburg zu holen, um an das Schicksal der aus Hamburg deportierten und in den Tod geschickten Kinder zu erinnern. Charakteristisch für die Erinnerungsarbeit von Steffi Wittenberg war, dass sie nicht vom eigenen Leid sprach, sondern stellvertretend ihren im Nationalsozialismus ermordeten Freund*innen, Lehrer*innen, Verwandten und Nachbar*innen ihre Stimme gab.

Steffi Wittenberg war in vielerlei Hinsicht immer auch Bildungsarbeiterin und hat intensiv mit dem Landesinstitut für Lehrerfortbildung (LI) zusammengearbeitet, das bekanntlich in der bisherigen Fe- lix-Dahn-Straße angesiedelt ist. Eine Umbenennung wäre hier doppelt angemessen.

Petitum / Beschluss:

  1. Die Bezirksversammlung Eimsbüttel unterstützt und initiiert die Umbenennung der Felix-Dahn- Straße in Steffi-Wittenberg-Straße.
  2. Die Umbenennung soll einen feierlichen Rahmen durch Anwesenheit der BA-Leitung und Vertre ter*innen aller demokratischen Fraktionen bekommen.
  3. Eingeladen werden die Familienangehörigen von Steffi Wittenberg und Vertreter*innen der Initiative „Monat des Gedenkens in Eimsbüttel“.
  4. Unter den Straßennamensschildern soll eine kurze Würdigung von Steffi Wittenberg platziert werden.

Fraktion DIE LINKE. in der Bezirksversammlung Eimsbüttel,
Roland Wiegmann, 
Peter Gutzeit, Mikey Kleinert, Manuela Pagels und Ralf Peters,
mit Dank für Initiative und Vorarbeit von Familie Helga und Hartmut Obens


Unser Antrag wurde in geänderter Fassung interfraktionell (DIE LINKE, GRÜNE, SPD, CDU) beschlossen:

Umgang mit belasteten Straßennamen, hier: Felix-Dahn-Straße

(Anm. Fraktion DIE LINKE: Es ist sehr bedauerlich, dass die eigentliche Intention unseres Antrages - nämlich die Ehrung der lebenslang antifaschistisch tätigen Steffi Wittenberg durch eine Straßen-Umbenennung erfolgen sollte - durch die vereinbarten Änderungen sehr in den Hintergrund geriet. Sowohl im Antrags-Titel, wo ihr Name entfiel und nur der auszutauschende, belastete Name erhalten blieb, als auch im Petitum, wo aus der intendierten Ehrung von Steffi Wittenberg eher eine Huldigung der neugebildeten Expertenkommission zur Straßenbenennung wurde. 
Um eine Mehrheit für unsere Intention zu bekommen, haben wir den Änderungen zugestimmt.)

Seit dem 1. November 1938 gibt es in Eimsbüttel eine Felix-Dahn-Straße.
Von 1921 bis 1938 aber war diese Straße benannt nach Anna Wohlwill, der langjährigen Leite- rin der Mädchenschule Paulinenstift. Unter dem NS-Regime musste der Name der Jüdin Anna Wohlwill dem Namen des Schriftstellers Felix Dahn weichen. Inzwischen gibt es im Stadtteil St. Pauli eine Wohlwillstraße.

Felix Dahn, bereits 1912 verstorben, war für die damalige Literaturgeschichte ein Impulsgeber, der mit über 30.000 Seiten zahlreiche Werke zu Recht und Geschichte verfasste. Allerdings propagierte Dahn in seinen Werken auch einen völkisch-nationalistischen Germanenmythos. Dahn ist somit als Wegbereiter des deutschen Faschismus anzusehen und eine Straßenumbe- nennung nach ihm war in der NS-Zeit kein Zufall, sondern folgerichtig. Dass allerdings mehr als 74 Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus die Straße immer noch Dahns Namen trägt, sollte schnellstmöglich behoben werden.

Aus guten Gründen schlägt die Linksfraktion vor, dieser Straße wieder den Namen einer jüdi- schen Frau zu geben und durch diese Straßenumbenennung ein lang überfälliges Unrecht zu korrigieren, denn: Straßennamen sind Seismographen der Zeit. Es ist deshalb überfällig, nach 81 Jahren die „Felix-Dahn-Straße“ umzubenennen und damit ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus zu setzen.

Steffi Wittenberg wurde am 15. Februar 1926 in Eimsbüttel als Steffi Hammerschlag geboren. Die Familie wohnte im Mittelweg. Sie besuchte ab 1932 zunächst die non-konfessionelle Grund- schule Kielortallee, dann die Jahnschule (heute Ida Ehre Schule). Ab 1935 musste sie eine jüdi- sche Schule besuchen und wechselte auf die Israelitische Töchterschule, nach deren Schlie- ßung zur Talmud-Tora-Schule am Grindelhof.

Im Dezember 1939 gelang ihr mit ihrer Mutter die Flucht nach Uruguay. In Montevideo lernte sie ihren späteren Mann Kurt Wittenberg kennen, dem sie im Januar 1948 nach Houston/Texas folgte. Wegen beider Tätigkeit im Civil Rights Congress gerieten sie früh in die politischen Müh- len der McCarthy-Ära und wurden ausgewiesen.

Seit Juni 1951 lebte Steffi Wittenberg (mit ihrem Mann und ihren 1955 und 1960 geborenen Söhnen) wieder in Eimsbüttel. Am 26. März 2015 ist Steffi Wittenberg - Schirmfrau des „Monats des Gedenkens“ während der Vorbereitungen für den zweiten Monat des Gedenkens gestor- ben. Steffi Wittenberg ist bis kurz vor ihrem Tod in Schulen gegangen, um als Zeitzeugin über ihr Leben zu berichten:

ihre jüdische Kindheit im Zeichen nationalsozialistischer Verfolgung in Eimsbüttel, die Jahre als „deutsch-jüdische Jugendliche mit Migrationshintergrund“ nach der Flucht in Uruguay, ihr Enga- gement in der US-Bürgerrechtsbewegung.

Mehr als dreißig Jahre lang hat Steffi Wittenberg mit ihrem Auftreten Hamburger Schülerinnen und Schülern die Werte einer humanen Gesellschaft vermittelt und Sensibilität gegenüber Aus- grenzungen eingefordert. Sie hat das Gedenken an die Pogromnacht auf dem Joseph-Carle- bach-Platz befördert und organisiert, ebenfalls Aktionen wie „Jeder Menschen hat einen Na- men“. Und sie hat maßgeblich daran mitgewirkt, den „Zug der Erinnerung“ im Jahr 2008 nach Hamburg zu holen, um an das Schicksal der aus Hamburg deportierten und in den Tod ge- schickten Kinder zu erinnern. Charakteristisch für die Erinnerungsarbeit von Steffi Wittenberg war, dass sie nicht vom eigenen Leid sprach, sondern stellvertretend ihren im Nationalsozialis- mus ermordeten Freund*innen, Lehrer*innen, Verwandten und Nachbar*innen ihre Stimme gab.

Steffi Wittenberg war in vielerlei Hinsicht immer auch Bildungsarbeiterin und hat intensiv mit dem Landesinstitut für Lehrerfortbildung (LI) zusammengearbeitet, das bekanntlich in der bishe- rigen Felix-Dahn-Straße angesiedelt ist. Eine Umbenennung wäre hier doppelt angemessen.

Petitum:

Vor dem Hintergrund der historisch belasteten Benennung der Felix-Dahn-Straße regt die Be- zirksversammlung Eimsbüttel Überlegungen hinsichtlich einer Umbenennung der Straße an.

Zugleich begrüßt die Bezirksversammlung das Vorhaben der Behörde für Kultur und Medien, im Sinne einer kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Kriterien für den Umgang mit belasteten Straßennamen zu erarbeiten und die Hamburger Straßen dahingehend zu überprü- fen. Die Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, sich bei der Behörde dafür einzusetzen, dass

  • die neugebildete Expertenkommission zur Straßenbenennung sich mit der Felix-Dahn- Straße und ihrem Namensgeber befasst und eine Empfehlung für den Umgang mit dem Straßennamen erarbeitet
  • für den Fall, dass die Änderung des Straßennamens empfohlen wird, eine Umbenen- nung in Steffi-Wittenberg-Straße geprüft wird
  • dem Kerngebietsausschuss über die Ergebnisse berichtet wird.

Bei Gegenstimmen der AfD-Fraktion (wen wundert's) mehrheitlich beschlossen.


 

Für Rückfragen:Roland Wiegmann
 roland.wiegmann@linksfraktion-eimsbuettel.de


Hier erhalten Sie unseren Original- Antrag: "Straßenumbenennung Felix-Dahn-Straße in Steffi-Wittenberg-Straße" als Download-PDF.

Hier erhalten Sie den interfraktionell beschlossenen Antrag: "Umgang mit belasteten Straßennamen, hier: Felix-Dahn-Straße" als Download-PDF.