Anfrage Wiegmann | Plausibilitätsprüfung Soziale Erhaltungsverordnung Univiertel vom 18.02.2021

Roland Wiegmann

Sachverhalt:

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung vom 30.04.2019 beantragte DIE LINKE. Fraktion die Einrichtung einer Sozialen Erhaltungsverordnung (SozErhVO) für das Univiertel in Eimsbüttel.
In der Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung vom 09.02.2021 (2 Jahre später) stellte der Leiter des Fachamtes für Stadt- und Landschaftsplanung das Ergebnis einer Plausibilitätsprüfung seines Amtes dar. Darin werden die folgenden Entscheidungskriterien als maßgeblich angegeben:

1. Verdrängungspotenzial

2. Aufwertungspotenzial und

3. Verdrängungsdruck.

Im Folgenden wird der Begriff ‘Untersuchungsgebiet’ für die 3 Zonen der Plausibilitätsprüfung (stat. Gebiete 37005, 36081, 36002, 36006, 36009) ergänzt um 35026, 35025, 36007 verwendet.
Im Ergebnis der Plausibilitätsprüfung des Amtes wurden anhand der o.g. Kriterien keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Anwendungsvoraussetzungen einer SozErhVO in Harvestehude-Rotherbaum gesehen. Eine schriftlich ausgearbeitete Analyse, mithin ein überprüfbares Ergebnis, ist nicht vorgelegt worden. DIE LINKE. Fraktion ist nicht überrascht, dass die vom Bezirksamt angelegten o.g. Kriterien für den gesamten Stadtteil Harvestehude und den Bereich Rotherbaum-Ost keinen Handlungsbedarf ergeben. Sehr wohl aber hatte sie bereits in ihrem Antrag vor 2 Jahren eine Soziale Erhaltungsverordnung zumindest für das Untersuchungsgebiet angestrebt, das mit seiner Wohnbevölkerung ganz erheblich zur sozialen Durchmischung von Harvestehude/Rotherbaum beiträgt.

Die Plausibilitätsprüfung des Amtes läßt diesbezüglich einige Fragen offen.
Mit großer Sicherheit sind z.B. in den Straßenzügen südliche Bundesstraße, südliche Grindelallee, in den SAGA-Häusern Rentzelstr. und den Studierenden-Wohnheimen Rentzel-/ Bundesstraße nicht überwiegend ‘wohlsituierte’ Bevölkerungsgruppen wohnhaft. Und auch die Region um die Sedanstraße lässt erhebliches Aufwertungspotenzial vermuten. Der Skandal um Grindelallee 80 sei nur am Rande in Erinnerung gerufen. An der Verbindungsbahn ist (mit Blick auf die S-Bahn-Gleise) nicht von einer ‘gehobenen Wohnlage’ zu sprechen. In diesen Gebieten ist vielmehr von einer ‘verdrängungssensiblen’ Bevölkerungsstruktur auszugehen.

Zudem sieht §172,2 BauGB nach unserer Rechtsauffassung nicht nur dann die Möglichkeit des Erlasses einer SozErhVO vor, wenn die genannten 3 Kriterien dazu Anlass geben, sondern auch grundsätzlich, wenn die Wohnbevölkerungsstruktur (unabhängig von z.B. ihrer Einkommensverteilung) so erhalten werden soll, wie sie ist.

Vor diesem Hintergrund fragen wir das Bezirksamt:

1. Ist - auch angesichts der zweijährigen Prüfungsdauer - für die Studie ein unabhängiges sozialwissenschaftliches Institut beauftragt worden oder hat das Fachamt diese Prüfung selbst durchgeführt?
Auf welcher Datengrundlage beruht die Einschätzung des Bezirksamtes?
Wurden eventuell bereits vorhandene, aktuelle Daten für die Beurteilung genutzt, so dass auf eine Voruntersuchung der Voraussetzungen für den Erlass einer Milieuschutzsatzung (VGH München Urt. v. 2. 4. 1996 – 1 N 92.1636, Zit. → Rn. 46) verzichtet wurde?


Antworten des Bezirksamtes kursiv mit führendem "[Antwort ]" und durch Linien optisch abgesetzt

Die Große Anfrage wird wie folgt beantwortet:

[Antwort] Die Prüfung wird regelhaft vom Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung in Abstimmung mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen durchgeführt. Handlungsleitend ist der Leitfaden für die Praxis zu den Sozialen ErhaltungsVO in Hamburg. Die sogenannte Plausibilitätsprüfung basiert auf den Daten vom Zensus, dem Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein, dem LGV und des städtebaulichen Monitorings. Das städtebauliche Monitoring beinhaltet dabei Grunddaten (Bevölkerungsanzahl, Altersstruktur, Arbeitslosigkeit, etc) und Indikatorensets (soziales und städtebauliches Profil, Bewegungsprofil des Wohnungsmarktes), die es den Bezirksämtern ermöglichen sollen eine Plausibilitätsprüfung ohne externe Vergabe durchzuführen. Neben der oben genannten Datenanalyse nach dem „Prüfschema Plausibilität“ aus dem Leitfaden wird eine fachliche Einschätzung der Situation im Gebiet (lokale Expertise) durch das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung vorgenommen. Ausführlichere Informationen zu der Plausibilitätsprüfung finden sich unter: https://www.hamburg.de/contentblob/13287352/d4b0f3c1fa084f5acd80467b423fc091/data/dleitfaden-sozerhvo.pdf
Eine nachfolgende Repräsentativuntersuchung würde extern vergeben.


2. Wurden für die Datengrundlage der Plausibilitätsprüfung Bewohner*innen, Mieter*innen, Gewerbetreibende, Vermieter*innen, Grundeigentümer*innen, usw. befragt? Welche Statements von Verbänden und Gruppen liegen ggfs. vor? Diese bitte der Antwort anhängen.


[Antwort] Es wurden keine Befragungen durchgeführt und sind für die Repräsentativprüfung auch nicht vorgesehen. Dieses wäre Bestandteil einer Repräsentativuntersuchung.


3. Ist der Hamburger Senat bzw. die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) in irgendeiner Form bei der Prüfung des Untersuchungsgebiets gefragt oder anders einbezogen worden?
Wenn ja, wann und in welcher Form?


[Antwort] Das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung Eimsbüttel befindet sich in regelmäßigem Austausch mit der BSW. Es gab auch verschiedenen Kontakt in Bezug auf die gewünschte Plausibilitätsprüfung Uni-Viertel sowie die durch das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung angeregte Erweiterung dieser auf die Stadtteile Rothenbaum und Harvestehude. Aufgrund der Vielzahl der Kontakte (persönlich, per E-Mail und Telefon) lassen sich die einzelnen Termine nicht ohne weiteres ermitteln.


4. Sind für die Prüfung Bestandsdaten eines Zeitpunktes verwendet worden (wenn ja, bitte den Zeitpunkt der Datenerhebung angeben)? Oder sind Strukturentwicklungen (Prozesse) über einen längeren Zeitraum analysiert worden? Wenn letzteres, welche Zeiträume? Sind diese Daten erhältlich/öffentlich? Wenn ja, wo?


[Antwort] Das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung arbeitet regelhaft mit den Stadtteilprofilen des Statistikamts Nord mit den Zeitreihen seit 1987 sowie den Daten und Auswertungen des Sozialmonitorings. Für diese Plausibilitätsprüfung wurden (auch aufgrund des Zensus) insbesondere Zahlen im Zeitraum von 2012 bis 2020 einbezogen. Als Vergleich dient der hamburgweite Durchschnitt, der Durchschnitt im Bezirk Eimsbüttel und der Vergleich zu anderen Gebiete mit Sozialen Erhaltungsverordnungen. Dieses Vorgehen ist im Leitfaden vorgesehen.


5. In der Plausibilitätsprüfung wird wiederholt auf Durchschnittswerte (v.a. bei den Einkommen der Bewohner*innen) verwiesen. Nun ist - gerade angesichts auch sehr hoher Einkommen im Untersuchungsgebiet - das arithmetische Mittel ein für sozialstrukturelle Untersuchungen sehr ungeeigneter Wert. Wurden auch Medianwerte, Standardabweichungen, Streuungsmaße (Varianz, bei der Einkommensverteilung Lorenzkurve, Gini-Koeffizient?) ermittelt?
Wenn ja, welche?


[Antwort] Nein, ein solches Vorgehen ist nicht vorgesehen. Es erfolgt aber neben der reinen quantitativen Bewertung auch eine qualitative. Das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung hat neben den reinen Daten auch einen fachlichen Blick und Einschätzung auf das Gebiet im Rahmen der stadtplanerischen Raumbeobachtung.


6. Um wie viele Wohneinheiten / Wohnungsgrößen handelt es sich im Untersuchungsgebiet?
Wie viele Menschen leben dort?
Wie hat sich der dortige Leerstand in den letzten 10 Jahren in Jahreswerten entwickelt?
Wie hat sich der dortige Bestand an Sozialwohnungen in den letzten 10 Jahren entwickelt?
Welche Sozialwohnungs-Bestandsentwicklung wird für die nächsten 5 Jahre erwartet?
Bitte nach den statistischen Gebieten des Untersuchungsgebietes aufschlüsseln.


[Antwort] Für die gewünschten Informationen sind die entsprechenden Daten nicht bekannt bzw. werden nicht erhoben. Sie sind für die Plausibilitätsprüfung quantitativ auch nicht erforderlich und notwendig.
Folgende Daten können geliefert werden:
6489 Wohnungen (Stand 2018) 11.282 Menschen leben dort (Stand 2018) Anteil der TransferleistungsbezieherInnen: 3,6 % (keine Daten zur Entwicklung in der Vergangenheit oder Zukunft)


7. Wie hat sich der Mietenspiegel im Untersuchungsgebiet in den letzten 10 Jahren entwickelt?
Wie hoch ist die Mieter-Fluktuation (Abschluss neuer Mietverträge, welche die Grundlage für die Errechnung des Mietenspiegels darstellen)?
Ist aus der Datenlage eine Entwicklung im Verhältnis Wohnfläche/Bewohner in den letzten 10 Jahren zu erkennen?
Wenn ja, welche?
Wie verhält sich dieser lokale Quotient im Vergleich zu anderen Hamburger Bezirken und bundesweiten Werten?


[Antwort] Für die gewünschten Informationen sind die entsprechenden Daten nicht bekannt bzw. werden nicht erhoben. Sie sind für die Plausibilitätsprüfung quantitativ auch nicht erforderlich.


8. Wie viele genehmigte Ferienwohnungen mit und ohne Wohnraumschutznummer gab es zu Ende 2018 und zu Ende 2020 im Untersuchungsgebiet?


[Antwort] Im Rahmen der Plausibilitätsuntersuchung quantitativ nicht erforderlich.


9. Ein aufschlussreiches Maß für das Veränderungspotenzial eines Quartiers ist die Entwicklung der Anzahl genehmigter Abgeschlossenheitserklärungen.
Wie viele Abgeschlossenheitserklärungen wurden im Untersuchungsgebiet genehmigt in den Jahren 2021, 2020, 2019, 2018, 2017?


[Antwort] Im Rahmen der Plausibilitätsuntersuchung quantitativ nicht erforderlich.


Wie viele Kündigungen wegen Eigenbedarfs gab es dort in den letzten 10 Jahren in Jahreswerten?
Bitte nach den statistischen Gebieten aufschlüsseln.


[Antwort] Dem Bezirksamt liegen hierzu keine Daten vor.


10. Warum werden in der Plausibilitätsprüfung des Amtes Ein-Personen-Haushalte als wenig verdrängungssensibel eingeordnet?


[Antwort] Es wird erwartet, dass der Anteil an Ein-Personen-Haushalten aufgrund der Nähe zur Universität zu einem größeren Teil aus Studierenden besteht.
Aufgrund der höheren Fluktuation ist hier eine durchschnittlich kürzere Mietdauer zu sehen.


11. Warum wurden die Grindelhochhäuser (mit 1.100 WE) wie auch die Wohnbauten der nordöstlichen Seite der Grindelallee zwischen Staatsbibliothek und Grindelhof nicht vom Amt berücksichtigt?
Ist für diese Gebiete evtl. geplant, die Voraussetzungen für eine SozErhVO gesondert zu prüfen?
Wenn ja, wann? Wen nein, warum nicht?


[Antwort] Die gewünschte Plausibilitätsuntersuchung für das Uni-Viertel wurde vom Bezirksamt entsprechend erweitert und auf die Stadtteile Rothenbaum und Harvestehude ausgeweitet. Die Grindelhochhäuser sind Teil des Untersuchungsgebietes Harvestehude, welches laut des sozialen sowie städtebaulichen Profils keine Hinweise auf Verdrängungspotenzial, Aufwertungspotenzial oder Verdrängungsdruck ergeben hat.
Zudem befinden sich die Grindelhochhäuser im Eigentum der SAGA und insofern im direkten Einfluss der Stadt Hamburg.


12. Welche Auswirkungen haben die Rahmenplanungen “Eimsbüttel 2040”, “Magistralenbebauung” und “Uni-Boulevard” in welcher Form und Konsequenz für das Untersuchungsgebiet?

[Antwort] Eine Entwicklung an den Magistralen ist städtebaulich gewünscht. Im Bereich der Universität gilt dieses im besonderen Maße, da auch die Universität eine Entwicklungsdynamik entfaltet. Die Plausibilitätsprüfung kommt zu dem allgemeinen Ergebnis, dass der Erlass einer Soz. ErhVO nicht notwendig / erforderlich ist.
Insofern hat die Magistralenentwicklung keine Auswirkungen und Konsequenzen auf dieses Ergebnis.


13. Welche Überlegungen gibt es in Bezug auf das Rentzel-Center?

[Antwort] Es handelt sich um eine Wohnungsbaupotenzialfläche des Wohnungsbauprogramms. In Bezug auf die Plausibilitätsprüfung sind keine Informationen vorliegend.


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