Marktware oder Grundrecht?

Das Wochenblatt "MARKT" schrieb am 08. Februar 2014 über unsere Informationsveranstaltung am 26.01.14 zur aktuellen Wohnungspolitik mit Hartmut Obens (Vorsitzender Bezirksfraktion DIE LINKE) und Heike Sudmann (LINKE Bürgerschaftsabgeordnete):

Wohnungsleerstand angesichts akuten Wohnungsmangels ist eines der derzeit bedeutendsten politischen Themen im Bezirk Eimsbüttel. Die Linkspartei veranstaltete jetzt eine Diskussion zur Wohnungspolitik im Eidelstedter Bürgerhaus. Die Situation im Furtweg, wo teilweise über zehn Jahre Wohnungen leer standen, war den Einstieg. Mieter Jean Kazanciyan merkt man die Verärgerung an, wenn er über das Thema spricht: „Der Eigentümer ließ die Wohnungen verkommen, um Häuser abzureißen und große Wohnungen zu schaffen.“ In der Nachbarschaft habe man sich gewehrt, den Leerstand angezeigt. Inzwischen seien die Wohnungen renoviert und wieder bewohnbar. Man könne es sich nicht leisten, Wohnungen leer stehen zu lassen: „Beim Neubau braucht man lange, bis Wohnungen wirklich zustande kommen.“ Und viele Wohnungen seien am Bedarf vorbei gebaut: „Fünf große Neubauten haben wir in Eidelstedt. Es gibt dort fast nur große Wohnungen mit deutlich über 100 Quadratmetern, die man hier gar nicht braucht. Das ist ein Stadtteil mit vielen Älteren und Armen.“

Heike Sudmann, Bürgerschaftsabgeordnete für die Linkspartei, verwies darauf, dass es erst seit einigen Jahren ein Gesetz gibt, Leerstand anzuzeigen: „Leerstand ist nach vier Monaten anzuzeigen – eine Frist, die dafür Rechnung trägt, dass oft nach einem Auszug renoviert wird. Dauert es länger, muss der Vermieter nachweisen, dass er wirklich renoviert.“ Lasse ein Vermieter ohne ausreichende Begründung Wohnungen leer stehen, so sei ein Bußgeld von 50.000 Euro pro Wohnung fällig – das zu riskieren, könne sich aber dennoch für den Vermieter lohnen.

Schätzungen gingen von 6.000 leer stehenden Wohnungen in Hamburg aus.

Wie geht es mit dem Wohnungsbau weiter? 
Hartmut Obens, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei in der Bezirksversammlung Eimsbüttel, hält die Erfolgsmeldungen zum Wohnungsbau im Bezirk Eimsbüttel für Augenwischerei: Der Bezirk liefere zwar regelmäßig Planübererfüllungsmeldungen, aber das seien nur Genehmigungen: „Es gibt keine Aufstellung über die tatsächlich erfolgten Bauten.“ 
Sozialer Wohnungsbau sei ein besonderes Problem: „Im Jahr 2017 fallen 3.000 Sozialwohnungen aus der jetzt nur noch 15-jährigen Bindung raus. Wie viele Sozialwohnungen wurden 2013 in Eimsbüttel freigegeben? 2011 waren es 27, 2012 126 und 2013 256.“ In Eimsbüttel werde offiziell festgehalten, dass es Wohnungsbau fast nur im höheren Mietsegment und für Eigentumswohnungen gebe.

Heike Sudmann ging auf den Kreis der Berechtigten für Sozialwohnungen näher ein: „Ich habe mich in der Bürgerschaft schon höllisch angelegt. Es hieß, es sollen keine Ghettos entstehen – man soll nicht so viele Sozialwohnungen auf einem Fleck bauen. Aber wer hat denn Anspruch – nur eine bestimmte Gruppe? Nein! 41 Prozent aller Hamburger Haushalte!“ Wer bis 23.000 Euro als Einzelperson oder bis bis 34.000 Euro zu zweit verdiene, habe einen Anspruch auf den nötigen „Paragraph5-Schein“. Berücksichtige man den zweiten Förderungsweg kämen sogar 56 Prozent aller Haushalte in Frage. „Wenn ich das weiß, dann sollte man denken, dass von den 6.000 Wohnungen, die nach dem Senatsprogramm jedes Jahr gebaut werden sollen, die Hälfte gefördert sein sollten. Es ist aber ein Drittel gefördert, eine Drittel frei finanziert und ein Drittel sind Eigentumswohnungen.“ Das sei am Bedarf vorbei – Hamburg sei eine der Großstädte, mit sehr hohem Mietwohnungsanteil: „Hier leben 80 Prozent der Menschen in Mietwohnungen – 20 Prozent haben Eigentumswohnungen.“

Sehe es bei der Schaffung günstigen Wohnraums also nicht so gut aus, so verringere sich die Zahl der vorhandenen günstigen Wohnungen stetig. Sudmann: „2009 gab es noch 230.000 Wohnungen unter 6 Euro, 2013 nur noch 130.000 Wohnungen – dazu 100.000 Sozialwohnungen. Ich habe aber über 400.000 Haushalte, die Anspruch auf eine Wohnung unter sechs Euro haben. Das passt einfach nicht zusammen.“

Ein großes Thema waren Wuchermieten. Eine Besucherin berichtete von Mietern, die 400 Euro für ein kleines, verkommenes Zimmer bezahlen müssen. Sudmann selbst hat vor kurzem bei einem Wohnungssuchenden nachgehakt und herausgefunden, dass dieser für ein möbliertes Zimmer eine Miete von 800 Euro habe: „Es gibt einen BGB-Paragraphen, der Wuchermieten verbietet. Es ist so definiert, dass Wuchermieten 50 Prozent über dem Mietenspiegel liegen. Für mich sind 10 bis 15 Euro für eine schlechte Wohnung eine Wuchermiete.“

Die Mietenentwicklung gehe jedenfalls deutlich nach oben: 2013 habe der neue Mietenspiegel wieder eine Erhöhung über fünf Prozent ausgewiesen. Mieter Kazanciyan macht sich für seine Stadt Sorgen: „In London ist es so, dass 38-Quadratmeter-Wohnungen mit 500.000 Euro gehandelt werden. Meine Bekannten sagen, dass es in 25 Jahren dort keine Krankenschwester und keinen Feuerwehrmann mehr gibt: Sie gehen alle nach außerhalb, weil sie die Mieten nicht bezahlen können.“

Eine deutliche Aufwärtsbewegung wird von manchen Experten auch für Hamburg prophezeit: Sie halten den Hamburger Wohnungsmarkt für „sehr unterbewertet“ - und schauen dabei auf andere europäische Metropolen. Hartmut Obens sieht jedenfalls Anzeichen eines noch viel stärkeren Preisdrucks: „Immer mehr Heuschrecken – zum Beispiel aus Skandinavien oder Russland - drängen auf den Hamburger Wohnungsmarkt.“»

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