Rede | Obdachlosigkeit in Eimsbüttel

Peter Gutzeit

Obdachlosigkeit ist nichts neues in Eimsbüttel. Schon um 1995 herum, erregte ein Obdachloser die Aufmerksamkeit der Eimsbütteler Bevölkerung: Der sogenannte Tütenmann. Er war so verwahrlost, dass ihn nicht einmal seine Eltern an der Haustür erkannten und ihn abwiesen. Trotzdem gelang es mit Hilfe vieler anteilnehmender Eimsbüttlerinnen und Eimsbüttlern, ihm zu helfen und am Ende ein Zimmer im damaligen Altenheim Lohkoppelstraße zu beschaffen, das er nach seinen Wünschen und Bedürfnissen benutzen konnte. Dies nur als ein positives Beispiel für eine stadtteilbezogene Solidaritätsaktion der Eimsbüttlerinnen und Eimsbüttler.

Doch heute geht es nicht um Einzellfälle, heute haben wir in der Stadt über 2.000 Obdachlose, die durch die Flüchtlings- und EU-Krise und die ab 2001 künstlich herbeigeführte Wohnungsnot, offensichtlich auf der Strecke bleiben. Obwohl doch schon letztes Jahr die Bürgerschaftskoalition zwischen SPD und Grünen das Problem der Wohnungslosigkeit im Koalitionsvertrag endlich angehen wollten. Doch immer noch werden Obdachlose selbst im Pik As abgewiesen, obwohl sie einen Rechtsanspruch auf Unterbringung haben. Die meisten dieser Menschen schlafen deshalb unter Brücken, Parks oder in Hauseingängen. Wo sollen sie auch sonst hin.

Und in dieser Situation schlägt die Eimsbütteler Bezirksverwaltung zu, um unsere schöne Isebek-Grünanlage, die ja vom Runden Tisch auch aufgrund der besseren Pflegemöglichkeit zum Park umgewidmet wurde - aber nicht um Obdachlose besser zu vertreiben - nun schlägt sie zu. Ohne Ankündigung baut sie einen Zaun für angeblich 2.000 Euro, der auf Nachfrage dann doch 4.641,87€ kostet. Aufgrund dieser merkwürdigen „Preisgestaltung“ überlege ich, ob ich vielleicht doch noch Akteneinsicht beantrage. Vertrauen ist gut – Kontrolle besser. Die weiteren Antworten auf meine Kleine Anfrage - zum Auftraggeber des Zaunbaus und der ausführenden Firma - sind im übrigen eine Zumutung. Alles schön geheim – nur keine Namen preisgeben.

Ja liebe Kolleginnen und Kollegen, so schürt man Politik- und Staatsverdrossenheit. Demokratie geht anders. In der Anfrage behauptet die Verwaltung, „Die Einfriedung (Einfriedung - damit sind die Zäune gemeint, hört sich nach Frieden an, tatsächlich aber ist es eine Kriegserklärung an die Obdachlosen), die Einfriedung diene dem Schutz von Leib und Leben. Es bestand die Gefahr, dass dort sich aufhaltende Personen in den Isebekkanal stürzen können.“ Nur, damit ist diese angebliche Gefahr ja überhaupt nicht gebannt. Mit einer, zur Zeit am Zaun angebrachten Leiter, kann ohne Probleme die Hürde genommen und der alte Platz wieder eingenommen werden. Wer das Hineinstürzen von Personen verhindern will, müsste den Zaun dann logischerweise längsseits zum Isebekkanal bauen und nicht quer den Zugang zum Brückenbogen abzäunen. Ob das Hinuntertrullern mit abschließendem Ertrinken aufgrund der geringen Wassertiefe überhaupt möglich ist, wäre zudem ersteinmal im Vorwege festzustellen. Zumindest wenn eine 4.641,87 Euro teure „Einfriedung“ installiert wird.

Zum Schluss möchte ich noch betonen, dass ja nicht nur die beiden Menschen unter der Brücke das Ziel der Vertreibung durch die Verwaltung waren, sondern auch die anderen, nach Verwaltungsangaben acht Obdachlosen, die zum Verlassen ihrer Notunterkünfte aufgefordert wurden. Waren es anfangs nur Boote die aus einsehbaren Gründen weg mussten, ist dieses Vorgehen bei Menschen völlig inakzeptabel. In dieser dramatischen Situation erklärt die Eimsbütteler Bezirksverwaltung, nach dem von ihr ausgelösten Skandal, in einer „Mitteilungsvorlage Bezirksamt“ , Drucksache 20-1562 - bezeichnenderweise auch hier wieder keine Namensnennung eines oder einer Verantwortlichen - in einer Aufzählung mehrerer Tageseinrichtungen für Wohnungslose, sogleich im Anschluss, dass das „Zelten“ und „Lagern“ ja laut Verordnung zum Schutze öffentlicher Grün- und Erholungsanlagen verboten sei. Kein Wort davon, wo die Menschen nachts bleiben sollen. Zynischer geht es meines Erachtens nicht – die Plane als Witterungsschutz, wird als eine Art Ferien- und Freizeitgestaltung dargestellt. Auch das „Lagern“ zwischen 22:00 und 6:00 Uhr sei ja verboten – als ob die Obdachlose im Stehen schlafen können. Daran kann man gut erkennen, was für ein Geist, nach Blumenbeet und Tauschtisch, in der Eimsbütteler Politik und Bezirksverwaltung herrscht.

Ich komme zum Schluss.
Wer einmal den Schanzenpark durchquert, wird gleich an mehreren Stellen auf Zelte und Lagerstätten aufmerksam. Genau wie in vielen anderen Parks Hamburgs. Und deshalb, nicht die Zelte oder die obdachlosen Menschen müssen platt gemacht werden, sondern der Zustand, „ohne ein Dach über dem Kopf“, muss endlich beendet werden.

Das Wort Obdachlos muss in einer so reichen Stadt wie Hamburg ersatzlos gestrichen werden. Zugegeben, das ist nicht immer einfach und erfordert Ideenreichtum und Mut, aber einfache Lösungen, wie einen Zaun auf Steuergelder zu errichten, werden die Probleme nicht lösen.
Sie werden dadurch nur verschoben, verlagert und anderen Bürgern zugemutet.

Peter Gutzeit, DIE LINKE.Fraktion in der Bezirksversammlung Eimsbüttel, Hamburg, 23.05.16