Rede Schrank 📌 Überlastungsanzeigen im Bezirksamt Eimsbüttel 🚩
Überlastungsanzeigen im Bezirksamt Eimsbüttel
Bezirksversammlung Eimsbüttel 30. Januar 2025
TOP 2.2.: Besprechung der Antwort auf eine Große Anfrage gemäß § 24 Absatz 1 Satz 4 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) "Überlastungsanzeigen im Bezirksamt Eimsbüttel" (Drs.: 22-0526) Fraktion DIE LINKE.
Redebeitrag von Myriam Schrank(DIE LINKE. Fraktion)
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrtes Präsidium,
liebe Kolleg:innen,
liebe Gäste,
wir wollen heute unsere große Anfrage zu den Überlastungsanzeigen besprechen.
Zuvor würde ich gerne über eigene Erfahrungen zu dem Thema berichten:
Ich arbeite im Kinder- und Jugendnotdienst und sehe tagtäglich, wie Verwaltung am Limit arbeitet. Überlastungen sind nahezu überall sichtbar und spürbar:
Zuständige sind nicht gut - oder über einen längeren Zeitraum gar nicht - erreichbar, wichtige Rückmeldungen erfolgen nicht und die Kinder verweilen häufig viel zu lange bei uns.
Die offenkundige Überlastung wird auch bei anderen öffentlichen Stellen der Daseinsvorsorge deutlich:
Meine Tochter musste beispielsweise 2021/2022 beim Bezirksamt Eimsbüttel über ein halbes Jahr auf ihren Wohngeldbescheid und eine Auszahlung warten, was für eine alleinerziehende Mutter wirklich sehr schwierig war.
Vielleicht erinnern Sie sich auch an einen Artikel in der Hamburger Morgenpost?
Eine andere Mutter versuchte, 15 Euro für die Sportteilhabe ihrer Tochter zu beantragen. Sie fand über Monate hinweg die zuständige Dienststelle im Bezirk nicht. Auch telefonisch konnte sie niemanden erreichen…
Auf Nachfrage der Mopo wurde dann von einer Mitarbeiterin berichtet, dass das Annehmen von Telefonanrufen bei der durchgehenden Arbeitsbelastung nicht erfolge, um die Bearbeitung von Anträgen zu gewährleisten.
Auch bei der Fahrt mit dem Paternoster im Grindel wird der Mangel sichtbar. Im vierten und fünften Stück stehen (oder standen?) Aufsteller mit dem Hinweis, dass ein persönlicher Termin nur nach telefonischer oder schriftlicher Anfrage möglich sei.
Bei der zuständigen Stelle für Wohnungsnotfälle sollen Betroffene, die gerade ihr Zuhause durch Brand oder Unbewohnbarkeit verloren haben – oder bereits obdachlos sind – sich vorher beim Bezirksamt telefonisch oder per Mail um einen Termin bemühen… und stoßen sich die Nase am Aufsteller, wenn sie in Ihrer Not und Verzweiflung persönlich erscheinen.
Menschen, die akut auf Hilfe angewiesen sind, wird der Weg zu niedrigschwelliger und schneller Hilfe erschwert. Das spiegelt sich auch in den Zahlen zu Rückstands- bzw. Überlastungsanzeigen wider:
2019 hatten wir 2 Überlastungsanzeigen. Inzwischen sind wir bei – und jetzt halten Sie sich fest – einer Steigerung von fast 1600 Prozent, und landen in 2023 bei 33 Überlastungsanzeigen und 2024 bei 31.
In dem Bereich, in dem ich mich auskenne (Jugendhilfe), haben wir im Bezirksamt zwar die meisten Anzeigen, aber mir persönlich erscheint das dennoch eher wenig, zumal es in Hamburg - Nord 2023 sogar 123 Überlastungsanzeigen im gleichen Bereich gab, während es bei uns (in Eimsbüttel) 12 sind.
Meiner Erfahrung nach sind Rahmenbedingungen allerdings in jedem Bezirk gleich schwierig.
Warum erscheint mir das zu wenig?
Ich nehme an, dass es ein Konglomerat aus unterschiedlichen Gründen ist:
• Resignation auf Seiten der Mitarbeiter:innen
• Frustration
• die Annahme, dass sich nichts durch das Anzeigen einer Überlastung ändert
• mangelndes Vertrauen in Führungskräfte und Struktur und
• möglicherweise die Sorge vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen und / oder einer schlechten Beurteilung.
Die Gründe für Überlastungsanzeigen sind sicher vielfältig. Ein Grund ist der Personalmangel. Das Bezirksamt antwortet dazu auf unsere Anfrage, dass sich dieser „Trend“ aus dem Fachkräftemangel und dem demographischen Wandel ergebe. Dieser „Trend“ ist eine gesellschaftliche Entwicklung. Wir unterhalten uns seit Jahren darüber. Hier von einem Trend zu sprechen, ist absurd und zu kurz gegriffen. Ja, es gibt einen Fachkräftemangel. Die Antworten auf dieses Problem können und müssen politisch gefunden werden.
Wird der Personalmangel aber nicht politisch vom Senat gelöst, dann darf das Bezirksamt nicht darauf warten, bis der Senat es löst !
Die einzige Antwort des Bezirksamtes auf diese wirklich große gesellschaftliche Herausforderung ist ein lebensphasen-orientiertes Personalentwicklungskonzept.
Das reicht nicht.
Damit die Arbeitsplätze attraktiver werden, braucht es andere sachliche und fachliche Antworten: bessere Vergütung, vor allem bessere Einstufungen in den unteren Gehaltsklassen und eine deutlich geringere Arbeitsbelastung.
Dafür wäre es wichtig, dass das Bezirksamt sich auch gerade macht. In der Antwort auf unsere Anfrage schreibt das Bezirksamt, dass der Personalwechsel (neudeutsch „braindrain“) zwischen Eimsbüttel und der Landesebene prinzipiell wünschenswert sei.
Das kann ich nun gar nicht nachvollziehen.
Wenn wir sehen, dass die Überlastungsanzeigen im Bezirk steigen und steigen, kann der Wegfall von Personal nicht wünschenswert sein.
Denn das richtige Leben, die wichtigen Aufgaben, nimmt das Bezirksamt hier – beispielsweise im vierten oder fünften Stock – wahr.
Wer die Aufgaben in den Landesbehörden als höherwertig bezeichnet, verkauft seine Arbeitsplätze und Aufgaben unter Wert.
Außerdem funktioniert der Weg bislang nur in eine Richtung: Menschen, die in die Fachbehörden abwandern, kommen nicht so schnell zurück ins Bezirksamt.
Auffällig fanden wir auch, dass einige Rückstande bei den Überlastungsanzeigen nicht abschließend bearbeitet worden sind. Das Bezirksamt weist in diesem Zusammenhang auf eine Dienstanweisung aus dem Jahre 2017 hin. Die Dienstanweisung ist leider nicht - wie in anderen Bezirken - im Transparenzportal eingestellt. Es wird mir also nicht klar, was eine nicht abgeschlossene Bearbeitung heißt. Es kann nicht richtig sein, dass 20 Fälle von 2023 in 2025 immer noch offen sind.
Hierzu haben wir noch einmal nachgefragt: Es gebe keine gescheiterten Rückstandsanzeigen. Die, die nicht abgeschlossen sind, seien noch in Bearbeitung.
Wir hatten ebenfalls nachgefragt, ob es im Zusammenhang mit Überlastungs- bzw. Rückstandsanzeigen als möglicher Folge zu Standardabsenkungen und / oder Qualitätseinbußen kommt. Hier wurde mitgeteilt, dass zum einen abgeschlossene Anzeigen nicht zentral erfasst würden und zum anderen die Zeit für die Beantwortung nicht ausgereicht habe. Wir wissen also zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob es zu Standardabsenkungen und / oder Qualitätseinbußen gekommen ist oder ggf. noch kommt. Die Aufsteller im Treppenhaus lassen es vermuten…
Ich meine, dass eine zentrale Erfassung von Überlastungs- und Rückstandsanzeigen innerhalb des Bezirksamtes Sinn machen könnte. Es wäre so möglich, einen Gesamtüberblick über die Belastungen der Mitarbeiter: innen im Bezirksamt zu erhalten. Außerdem wäre es leichter, auf Anfragen wie diese schnell zu antworten.
Daraus ließen sich dann vielleicht auch strukturelle Maßnahmen zur Reduzierung von Belastungen entwickeln.
Die von uns abgefragten Krankenstände im Jugendamt Eimsbüttel und dem WBZ (Zentrum für Wirtschaftsförderung, Bauen und Umwelt) liegen zwischen 7 und 17%; Spitzenreiter im negativen Sinne hier: Allgemeiner Sozialer Dienst mit 17%. Dazu passen die Aussagen der Ombudsstelle im Unterausschuss (des Jugendhilfeausschusses) letzte Woche: Als das größte Problem wurde schlechte oder fehlende Erreichbarkeit in den Jugendämtern genannt.
• Wenn Sie dazu mehr wissen möchten, können Sie die Sachberichte auf der Homepage der Ombudsstelle finden - schlechte Erreichbarkeit und fehlende Ansprechpersonen sind für hilfesuchende Menschen eine zusätzliche Belastung.
Ich komme zum Schluss und auf den Anfang zurück.
Ich weiß als Sozialarbeiterin und als Mitarbeiterin einer Kriseneinrichtung, unter welchem Druck Mitarbeiter:innen stehen.
Von daher können Sie sicher sein:
Es geht mir nicht um Mitarbeiter:innen-Bashing, sondern um den Verweis auf – meiner Meinung nach – erhebliche strukturelle Defizite, die behoben werden müssen und bestenfalls behoben werden können.
Myriam Schrank
Für Rückfragen: | |
Tel: +49 (0) 40 8835 6630 (mobil) [Tel.-Nr. ist mobil per Direkt-Click wählbar] myriam.schrank@linksfraktion-eimsbuettel.de |
Hier erhalten Sie diese Rede 📌 Myriam Schrank zur personellen Überlastungssituation in den Bezirksämtern 🚩 als Download-PDF.
Die zugehörigen Dokumente:
- Beantwortete Anfrage: anfrage-§24gross-antwort-überlastungsanzeigen-drs22-0526.pdf
- Anlage zur Antwort, anfrage-§24gross-antwort-anlage-überlastungsanzeigen-drs22-0526
- Antwort auf Nachfrage per Kleiner Anfrage: 250202-anfrage-§24nachfrage-antwort-überlastungsanzeigen-drs22-0656.pdf
Weitere Download-PDFs und Fotos zur freien Verwendung erhalten Sie per Download in unserem virtuellen Presseraum:
https://bit.ly/presseraum-die-linke-fraktion-eimsbuettel
DIE LINKE. Fraktion in der Bezirksversammlung Eimsbüttel
Medienverantwortlicher: Roland Wiegmann +49 (0) 40 4902 5005
mailto: presse01@linksfraktion-eimsbuettel.de
Kieler Straße 689, 22527 Hamburg
Verwandte Nachrichten
- Anfrage §24 Kleinert Schrank 📌 Überlastungsanzeigen im Bezirksamt Eimsbüttel 🚩
- Anfrage §24 Schrank 📌 Nachfrage zu Überlastungsanzeigen im Bezirksamt Eimsbüttel 🚩
- Anfrage §24 Schrank Kleinert 📌 Erreichbarkeit des Bezirksamtes 🚩
- NDR Hamburg Journal | Bezirkswahlen in Hamburg: Das sind die Themen in Eimsbüttel
- Mopo | Eimsbüttels skandalöse Leerstandsliste
- Eimsbütteler Nachrichten | Jahrelanger Leerstand in der Grindelallee: Greift jetzt der Senat ein?
- Niendorfer Wochenblatt | Wohnungsleerstand in Eimsbüttel
- Hamburger Abendblatt | Leerstehendes Haus am Grindel wird Thema für Hamburger Senat
- Hamburger Abendblatt | Leerstand in Eimsbüttel: Linken-Fraktion plakatiert Gebäude
- Hamburger Abendblatt | Mitten in Lokstedt: Leerstand seit zehn Jahren
- Eimsbütteler Nachrichten | Grindelallee 80: Linksfraktion spricht von „skandalösen Missständen“
- Hamburger Abendblatt | "Skandal" um Haus am Grindel: Schwere Vorwürfe gegen Behörde
- Mopo | „Skandal“: Mietshaus mitten in Hamburg rottet vor sich hin – und es passiert nichts
- Antrag LINKE, SPD | Stadtentwicklungspolitischer Dialog in Eimsbüttel